Warum Agentische KI das Recruiting neu erfindet
Im Juni 2025 veröffentlichte McKinsey das neue CEO-Playbook Seizing the Agentic AI Advantage. Der Bericht bestätigt, was viele von uns in der Praxis längst beobachten: Generative KI ist weit verbreitet, hat aber bisher kaum spürbaren Einfluss auf die Unternehmensleistung.
McKinsey nennt das das Gen-AI-Paradox: Fast 80 % der Unternehmen nutzen bereits KI, doch ähnlich viele berichten, dass sie keinerlei messbare Effekte auf ihr Ergebnis sehen.
Der Grund ist einfach. Die meisten Firmen setzen bislang auf horizontale Anwendungsfälle – Chatbots, Copilots, Textzusammenfassungen. Diese lassen sich leicht einführen, bringen aber nur diffuse, oberflächliche Vorteile. Wirkliche Wirkung entsteht durch vertikale Anwendungsfälle – also KI, die tief in die Kernprozesse eines Unternehmens eingebettet ist. Genau hier kommen Agenten ins Spiel.
Der Wandel: Von Assistenten zu Agenten
Wie McKinsey beschreibt, entsteht echter Mehrwert nur, wenn Prozesse End-to-End automatisiert werden. Agenten unterscheiden sich von simplen Copilots, weil sie:
- Ziele verstehen und in Teilaufgaben zerlegen
- Mit Menschen und Systemen interagieren
- Workflows selbstständig ausführen
- Sich in Echtzeit anpassen, wenn sich Bedingungen ändern
Das ist nicht nur Effizienzsteigerung – es ist eine Transformation der Arbeitsweise.
Recruiting als Paradebeispiel
Bei Paul’s Job erleben wir das jeden Tag. Recruiting gehört zu den kommunikativ komplexesten Prozessen in jeder Organisation. Eine einzelne Einstellung umfasst:
- Kandidaten, die Dokumente einreichen, Fragen beantworten, Termine abstimmen
- Recruiter, die vorprüfen, Unterlagen checken, Verfügbarkeiten klären
- Hiring Manager, die Entscheidungen treffen
- Assistenten oder Koordinatoren, die Kalender und Abläufe managen
Läuft dieser Prozess manuell, frisst er enorme Zeit und Management-Kapazität. In Branchen wie Pflege, Facility Management oder Handel – wo die Serviceleistung direkt von ausreichend Personal abhängt – hat das gravierende Folgen:
- Stellen bleiben unbesetzt.
- Unternehmen können weniger Kunden oder Patienten bedienen.
- Wettbewerber gewinnen Bewerber schlicht, weil sie schneller sind.
Was passiert, wenn man Recruiting automatisiert
Nun stellen wir uns einen End-to-End-Recruiting-Agenten vor. Kandidaten bewerben sich direkt per WhatsApp oder SMS. Paul, der KI-Agent, führt sie durch den Prozess:
- Sammelt Dokumente (Führerschein, Sprachzertifikate, Arbeitsgenehmigungen)
- Prüft Anforderungen (Sprachniveau per Sprachnachricht, Verfügbarkeit, Nachweise)
- Koordiniert Interviews automatisch mit den Hiring Managern
- Bereitet Verträge vor, sobald alle Kriterien erfüllt sind
Das Ergebnis: Vom ersten Kontakt bis zum unterschriebenen Vertrag in unter 60 Minuten.
Das ist kein Chatbot, der an alte Prozesse angedockt wird. Das ist ein Prozess, der von Grund auf um Agenten herum neu gedacht ist – genau der vertikale Einsatz, den McKinsey als fehlendes Puzzleteil der heutigen KI-Strategien identifiziert.
Warum das besonders für Dienstleistungsbranchen entscheidend ist
In arbeitsintensiven Unternehmen ist schnelleres Recruiting nicht nur eine HR-Kennzahl – es bestimmt direkt die Leistungsfähigkeit:
- Pflegedienste mit mehr Pflegekräften können mehr Patienten betreuen.
- Händler und Logistiker können Filialen und Lager zuverlässiger besetzen.
- Sicherheits- und Facility-Firmen können Verträge pünktlich erfüllen, ohne teure Verzögerungen.
Gerade in Zeiten von Fach- und Arbeitskräftemangel ist Recruiting-Geschwindigkeit ein strategischer Wettbewerbsvorteil.
Die größere Lehre für CEOs
Das McKinsey-Playbook schließt mit einer klaren Botschaft: Die Experimentierphase ist vorbei. CEOs müssen den Mut haben, Prozesse mit Agenten fundamental neu zu denken. Das bedeutet:
- Agenten in Kern-Workflows einbetten, nicht nur als Add-on
- Prozesse so redesignen, dass sie die Stärken von Agenten nutzen – parallele Abläufe, Echtzeitanpassung, Skalierbarkeit
- Governance schaffen, damit Vertrauen, Sicherheit und Akzeptanz gewährleistet sind
Recruiting zeigt, wie das aussehen kann: Von wochenlanger Kommunikation hin zur Einstellung in weniger als einer Stunde. Das ist keine Spielerei, das ist Prozessinnovation.
Fazit
Das Gen-AI-Paradox lässt sich nicht mit weiteren Copilots oder Chatbots lösen. Es lässt sich lösen, wenn Unternehmen wenige, hochrelevante Prozesse auswählen, diese Ende-zu-Ende neu gestalten – und Agenten übernehmen lassen.
Recruiting ist ein hervorragendes Beispiel. Wer hier automatisiert, gewinnt nicht nur Effizienz, sondern echte Wettbewerbsfähigkeit. Das ist die eigentliche Stärke von Agentischer KI.